Die Kunst im öffentlichen Raum hat sich heute (wieder) zu einer der wichtigsten Begegnungsebenen und damit zu einem der bedeutendsten Kommunikationsinstrumente im gesellschaftlichen Bereich entwickelt. Dies deshalb, weil diese Kunst als Teilsystem der Kultur ihre Sprache, ihre Zeichen und Handlungen an wirtschaftliche, politische, soziale, aber auch architektonisch-städtebauliche Situationen adressiert; weil diese Kunst nicht in speziellen, ein ums andere mal hermetisch ausgerichteten Räumen, sondern im alltäglichen Lebensraum der Menschen auftaucht. Entgegen der aus der Vergangenheit bekannten, bisweilen bis in die Gegenwart verlängerten Muster, nämlich Monumente, Denkmäler oder Büsten aller Art, setzen sich Künstlerinnen und Künstler gegenwärtig mit neuen Themenfeldern auseinander. Diese sind durch ein hohes Maß an Flexibilität ausgezeichnet, durch ein Aufgeben des elitären Kunstbegriffs ebenso wie durch die Einsicht, dass es nicht genügt, Skulpturen aus dem Atelier in einen x-beliebigen Freiraum, ohne Dach über dem Kopf, zu stellen. Nicht nur die große Dimension, und wenn dann nur vordergründig, entscheidet über die Wirkung eines Kunstwerks. Infiltrationen in den urbanen Alltag zählen heute zu einer effizient eingesetzten Methode, im öffentlichen Raum, vielleicht nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, Position zu beziehen.
Vor allem in der immer stärker verdichteten visuellen Zeichenhaftigkeit kulminiert ein Überlagerungsvorgang, der beide Schichten - die der Alltagsästhetik und die der Kunstästhetik - aktiviert und auf der Ebene eines spannenden und zur Irritation sowie zur Meinungsbildung herausfordernden Differenzierungsphänomens als Methode in den künstlerischen Gestaltungsmodus Eingang finden kann. Das Potential des künstlerischen Textes - als Grundmuster jedes Gestaltungsvorgangs - erweitert sich im reflektierten öffentlichen Raum weniger aus sich heraus, vielmehr um die vielfältigen und unterschiedlich disponierten Texte der ästhetischen Standards. Diese setzen sich heute aus einer Unzahl von visuellen Informationen wie Nachrichten, Produktgestaltungen, urbanen Strukturen, (Re)Präsentationsformen, grafischen und räumlichen Ausstattungen und logokultureller "Dekoration" zusammen.
Wenn wir die gesellschaftliche Relevanz einer Kunst im öffentlichen Raum als „Kunst im öffentlichen Interesse" (Arlene Raven) bezeichnen, dann bildet dieser Begriff die seriöse Basis für einen ernsthaften Umgang mit dem aktuellen Thema im nichtinstitutionellen Raum. Allerdings hat diese Basis, wie die Erfahrungen zeigen, fast ausschließlich innerhalb des Systems Kunst ihre Gültigkeit. Nach außen, in das weite Feld der PassantInnen kann nur selten transportiert werden, dass einzig über künstlerische Zeichensetzungen nicht von Politik, Medien und Werbung vordefinierte Meinungsäußerung öffentlich erfahren werden kann.
Im Spiegelbild der Machtverhältnisse im öffentlichen Raum können wohl der Markt, das Marketing, das Tourismusmanagement, die Politik dem Produkt, nicht aber darf das Produkt diesen bedauerlicherweise nicht ganz so unterschiedlichen Interessen ausgeliefert werden. Jenseits von Quoten auf der einen, aber auch von reinen Provokationsspekulationen auf der anderen Seite liegt das Kapital in der Aufbereitung einer Kommunikationsebene, die - das werden Wirtschaft und Politik begreifen lernen - ihre Zinsen trägt.
Werner Fenz